An diesem strahlenden Sonntag führt Revierförster Holger Scheel zum dritten Mal eine Gruppe des BUND zu einer Erkundung in sein Revier im Schwanheimer Forst. Das Thema lautet wieder „Zum Wald der Zukunft – mit naturgemäßer Waldwirtschaft oder Prozessschutz?“
Vorneweg sei gesagt, dass Förster Scheel sein Revier wie aus der Westentasche kennt und seine Gruppe vom ersten Moment an mit vielen interessanten Informationen und Beobachtungen am Wegesrand, mit historischen Details und kurzweiligen Anekdoten zur Flora und Fauna in seinem Revier versorgt, über die man einen eigenen Artikel schreiben könnte.
Auf dieser Radtour geht es speziell um den Prozessschutz, etwas verkürzt also um das Nicht-Eingreifen in natürliche Prozesse von Ökosystemen, in diesem Fall das ungestörte Aufwachsen eines Waldes.
Zur Klärung der allgemeinen Grundlagen fahren wir als erste Station einen Altersklassenwald an, der durch Aufforstung einer Kahlschlagsfläche entsteht. Alle Bäume auf der Fläche sind daher zu jedem Zeitpunkt gleich alt und im konkreten Fall wurde nur eine Art gepflanzt, die amerikanische Roteiche. Der Bestand wurde über Jahrzehnte kontrolliert, die stärksten Bäume wurden und werden gefördert, Konkurrenten um das Licht werden entnommen. Ein solcher Wald weist selten einen bedeutenden Unterwuchs auf. Die Kahlschlagwirtschaft wird in Frankfurt aktuell nicht mehr betrieben, so dass sich hier wie überall im Stadtwald Dauerwald entwickeln wird.
Wenige Meter weiter weist ein Bestand ein deutlich anderes Erscheinungsbild auf: mehrere Baumarten (Eichen, Buchen, Hainbuchen), Unterwuchs (dabei allerdings auch die invasive amerikanische Traubenkirsche) und eine Krautschicht. Umgestürzte alte Baumriesen dürfen liegenbleiben (Bild 5). In beiden Beständen fällt auf, dass der Wald „in Auflösung“ ist, wie Förster Scheel sich ausdrückt. Es gibt viele vertrocknete, tote oder absterbende Bäume. Das Kronendach ist stellenweise licht (Bild 4). Die vermehrte Sonneneinstrahlung verstärkt die Folgen von Trockenheit bzw. Wassermangel, denn hier auf der Kelsterbacher Terrasse gibt es Grundwasser erst in ca. 10 - 12 Metern Tiefe.
Nun bekommen wir den Auftrag, in diesem naturnäheren Wald nach jungen Eichen einer bestimmten Höhe zu suchen (Bild 6). „Wer eine findet, bekommt ein Eis spendiert“, ist der Anreiz. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suche sind alle vorhanden, alte Bäume mit ausreichender Eichelmast, Licht, das Wild ist kurzgehalten, Eichen-Sämlinge sind zahlreich. Aber die Suche bleibt erfolglos - keine jungen Eichen!
Das Rätsel wird an der nächsten Station im „Alten Heeg“ aufgelöst. Hier gibt es – in einem eingezäunten Waldstück – an mehreren Stellen dichte Bestände junger Eichen (Bild 8), gleich daneben liegt eine Vergleichsfläche, auf der die Hainbuche die Eichen überwachsen und verdrängt hat (Bild 7). Die Namen der Waldstücke „Altheeg“ und „Neuheeg“ enthalten die Lösung zu unserer Suchfrage: Die Eichensämlinge wurden hier gehegt und gepflegt, die Konkurrenz wurde ihnen vom Leib gehalten. Eichen sind „Sensibelchen“, drückte sich Förster Scheel aus, ganz entgegen ihrem Image. Die Konsequenz der Beobachtungen bedeutet, dass das Flora-Fauna-Habitat „Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen“ im Stadtwald aufgrund der Klimaveränderungen verschwinden würde, wenn man es sich selbst überließe.
Eine Form der Unterstützung des Habitats wäre die Auswahl trockenheitsresistenter Sorten (Flaumeiche), wie wir sie auf den Versuchsflächen der letztjährigen Exkursion kennengelernt hatten. Eine andere Möglichkeit wäre der Einsatz von Eichen-Saatgut, das von Bäumen von anderen Standorten (z.B. Schwanheimer Düne) kommt, die sich bereits besser angepasst haben. Unsere letzte Station führte uns in einen ganz anderen Wald, einen Edelkastanienwald von ca. 65 Jahren, der ganz offensichtlich besser mit dem Klimawandel zurechtkommt und ordentlichen Wuchs und ein dichtes Blätterdach aufweist.
Auf jeden Fall ist die Eingangsfrage nicht so einfach zu beantworten. Prozessschutz wie auch naturnahe Waldwirtschaft können beide nicht garantieren, dass der Wald, den wir kennen und als erhaltenswert definiert haben, auch der Wald der Zukunft bleibt und sich nicht durch den Klimawandel grundsätzlich verändert.